Gedanken zur Jahreslosung 2025
von Kerstin Wendel - Referentin und Autorin aus Wetter an der Ruhr

Prüft alles und behaltet das Gute! (1. Thessalonicher 5,21)

Die Jahreslosung für 2025 ermutigt nicht nur zur „Schatzsuche“, sie ist auch selbst ein Schatz – Offenheit und Entdeckerfreude vorausgesetzt.

Es wiegt kaum etwas und ist gerade mal elf Zentimeter lang: das Wattmeter (ein Stromkostenmessgerät). Unser Schwiegersohn hat es mitgebracht. Nun leiht er es uns für eine Weile, damit auch wir davon profitieren können.

Die Ukrainekrise hat wichtige Themen auf unsere Tagesordnung gesetzt. Eins davon: Wie spart der Deutsche Strom? Jetzt wird gemessen, verglichen, überlegt und nachgedacht. „Prüfet alles – das Gute behaltet!“ Mancher verabschiedet sich von Altgeräten, die alles andere als sparsam waren. Vielleicht sogar mit Energieeffizienz G – also mit äußerst niedriger Energieeffizienz – ausgestattet? Schauderhaft. Andere setzen jetzt auf LED-Lampen. Wieder andere benutzen bestimmte Stromquellen gar nicht mehr. Wäre doch gelacht, wenn sich die Haustür nicht auch ohne Außenlicht finden lässt.

Doch, ja, der Deutsche ist ganz gut im Prüfen. Der eine vergleicht Angebote, um ein Schnäppchen zu ergattern. Der nächste lässt sich die aktuelle Ausgabe von Stiftung Warentest kommen, bevor er den neuen Rasenmäher ersteht. Und anschließend genießen wir unser Eigenlob: Das haben wir ja mal wieder richtig gut hinbekommen! So viel Geld gespart! Bei den Rezensionen kann das ja nur eine gute Anschaffung sein. „Prüft alles und behaltet das Gute!“

Prüfet alles

Wir können unglaublich vieles auf Wert, Tauglichkeit oder Schäden hin prüfen: Maschinen, Texte, Parteiprogramme, Sonderangebote, Spielgeräte, Münzen, Rechnungen, Verbrauch, Kassen, Personen, Dienstleistungen, gesellschaftliche Entwicklungen, uns selbst und – man mag schmunzeln – auch den Partner in spe, ob man ihn denn heiraten möchte. Dazu hat der Volksmund Weltliteratur aus Friedrich Schillers Gedicht „Die Glocke“ parat: „Drum prüfe, wer sich ewig bindet, ob sich das Herz zum Herzen findet.“ (Friedrich Schiller: Die Glocke)

Wir untersuchen, kontrollieren, sehen durch, begutachten, prüfen und checken ab. Damit soll Schaden verhindert oder etwas optimiert werden. Manchmal ist das nur das zurückgegebene Wechselgeld, manchmal gravierenderes, so wie eine mögliche Scheidung oder ein überfluteter Keller.

Dennoch stelle ich infrage, ob wir der Jahreslosung bisher immer ausreichend gerecht geworden sind! Sie ist scheinbar leicht verständlich, wirkt fast wie ein Sprichwort. Die Frage ist, ob es der ursprünglichen Absicht von Paulus entspricht, wenn wir sie für alles Mögliche verwenden: für die Beurteilung von Predigten („Das war aber heute nicht tief genug!“) oder der Arbeit des Leitungskreises der Kirche („Wäre es nicht besser, als Kirche weniger zu spenden? Die sollten die Ausgaben nochmal überprüfen!“). Ist der Vers dafür gedacht?

Worum geht’s?

Neben unseren Alltagserfahrungen kennen wir große gesellschaftliche Herausforderungen. Der eine versucht vielleicht, einen Standpunkt im Umgang mit diversen sexuellen Identitäten zu gewinnen. Der nächste möchte den Israelkonflikt oder die Hintergründe der AfD durchschauen.

Ist die Jahreslosung tatsächlich dafür gedacht, das alles zu prüfen? Vielleicht möchte mancher Einspruch erheben: „Das ist doch keine Handlungsanweisung für den Alltag. Es geht doch um geistliche Dinge, oder?!“

Ja, unsere Jahreslosung bezieht sich zunächst auf „geistliche“ Dinge. Da es uns aber guttut, wenn wir in unserem Leben „geistlich“ und „weltlich“ nicht trennen, werden wir versuchen, ganzheitlichen Nutzen aus diesem Wort ziehen.

Ermutigend, richtungsweisend, stärkend

Ehrlich gesagt, meinen ersten „Wow“-Effekt hatte ich, als ich den kompletten Abschnitt aus dem Kapitel 5 des 1. Thessalonicherbriefs gelesen habe. Es geht nämlich ursprünglich darum, prophetische Rede zu prüfen!

Was verbirgt sich hinter diesem Begriff? Prophetische Rede ist eine geistliche Gabe. Also ein Geschenk des Heiligen Geistes. Man kann sie auch Weissagung nennen. Klingt mysteriös? Vielleicht im ersten Moment. Dabei ist diese Gabe ein Segen. Ich würde sie so definieren: „Prophetische Rede ist Offenbartes von Gott zum Weitersagen.“ Es geht also um ermutigende, richtungsweisende, tröstende, stärkende oder auch mal ermahnende Eindrücke. Sie sollen zur Unterstützung an Menschen oder Kirchen weitergeben werden. Also überhaupt nichts, was uns Angst oder Sorge bereiten sollte. Im Gegenteil!

Wer ein einfaches Beispiel dafür lesen möchte, kann in Apg. 11,27 und die folgenden Verse nachschauen. Dort teilt der Prophet Agabus einen Eindruck über eine kommende Hungersnot und motiviert dadurch die Christen, ihre bedürftigen Mitchristen zu unterstützen. So einfach, so positiv, so stärkend kann prophetische Rede sein! Das mal als Appetizer …

Eine Geistesgabe hat nicht jeder (aber wir können gern nach ihr streben). Aber bei der Tageslosung kommen wir alle ins Spiel, denn es ist auch ein persönliches Wort. Es geht um dich und mich.

Im Lichtkegel der Liebe Gottes

In dem kleinen Wörtchen „prüft alles“ verbirgt sich noch mehr. Nämlich „wir“ mit unserem persönlichen Leben.

Ich bin richtig stolz auf die Bibel: Heutzutage werden wir an allen Ecken und Ende dazu motiviert, unser Leben zu optimieren. Vom Personal Trainer im Sport bis zur Ernährungsapp kannst du dir alles gönnen. Die Bibel hat aber schon Jahrhunderte davor aufgefordert, das eigene Leben unter die Lupe zu nehmen. Allerdings mit einem anderen Ziel: Wir pflegen weder Individualismus noch suchen wir nach Selbstoptimierung. Wir streben nach Heiligung.

Die Jahreslosung möchte uns dazu anregen, bestimmte Lebensbereiche unter die Lupe zu nehmen. Wie bin ich denn da unterwegs? Wie steht es beispielsweise um meine Finanzen, meine Gedankenwelt oder meine Ehe? Welche Prioritäten setze ich? Wo komme ich nur ganz schwer voran?

Ich bin davon überzeugt, dass uns Orientierungspunkte guttun, damit wir diese Selbstprüfung umsetzen können. Wie gut, dass wir dabei aber nicht uns selbst überlassen sind. Im Gegenteil. Der Heilige Geist möchte mit seiner zarten, klaren Stimme seine Impulse geben. Im Lichtkegel von Gottes Gnade fällt es leichter, eigene Macken zu erkennen. So können wir gemeinsam – der Geist Gottes in uns – Altlasten aufspüren und befreit weiterleben.

Gutes behalten

Wenn ich mit Opa Karl Preiselbeeren erntete, haben wir anschließend sortiert: die guten für die Marmelade, die schlechten für den Biomüll. Nur die guten, kleinen Beeren ergaben später einen köstlichen Aufstrich. Irgendwie logisch.

Heute in einer komplexen Welt mit vielen „bad news“ das Gute zu behalten, das ist wesentlich herausfordernder. Manchmal zieht uns unser Alltag regelrecht nach unten. Und auch im gemeindlichen Kontext fällt mir auf, dass manche sich gern festbeißen – an Problemen, Miseren und Fehlern.

Maria, die Mutter von Jesus, war darin geübt, Gutes festzuhalten. Sie konservierte das viele Gute rund um die Zeit vor und nach der Geburt ihres ersten Kindes. Sie hätte es auch anders leben können, in Sorgen versinken können. Aber sie hat sich das Gute gemerkt und darauf achtgegeben.

Wir können uns ebenso darin üben – und zwar sowohl das Gute im Umgang mit prophetischer Rede behalten, als auch in den Herausforderungen unseres neuen Jahres. Puh, das kann herausfordernd werden. Denn wenn von uns verbeißt sich nicht manchmal in Enttäuschungen, Probleme und Sorgen? Ich lade herzlich zu einem positiven Blick ein.

Ein zeitloser Schatz

Mit dieser Jahreslosung haben wir einen zeitlosen Schatz anvertraut bekommen. Schätze sind etwas Kostbares. Man kann sie suchen, entdecken, bestaunen, herausputzen, bewahren! Auf diese Schatzsuche wollen wir uns begeben, damit wir dieses Wort „entdecken“. Manches Bibelwort entfaltet seinen wahren Reichtum erst beim genaueren Hinschauen. Plötzlich erstrahlt ein Juwel – ein echter Schatz!

Was brauchen wir für die Schatzsuche? Entdeckerfreude, Geduld, Offenheit, Vertrauen. Von Kindern können wir uns Entdeckerfreude, Offenheit und Vertrauen abschauen. Darin sind sie groß. Außerdem lassen sie sich so gern beschenken! Auch das ist ja ihr Privileg! Jesus selbst hat sie uns ja als Beispiel genannt, als er in Matthäus 18,2 ein Kind in die Mitte stellte. Beobachte in nächster Zeit doch einmal ein Kind, wie es seine Umgebung entdeckt oder etwas ausprobiert. Und mit dieser Entdeckerfreude können wir mit der Jahreslosung im neuen Jahr durchstarten.

Quelle: jesus.de