Jesus Christus spricht: Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen. So lautet die Jahreslosung für das Jahr 2022. Und heute, viele Jahre später und seit über 25 Jahren im Dienst der Kirche, wüsste ich, wie ich in dieser Situation handeln würde. Nicht, weil ich die Ordnungen unserer Kirche gering achten würde, sondern gerade, weil ich sie uneingeschränkt ernst nehmen würde. Denn nicht ich als Pfarrer, nicht die Gemeinde, zu der ich gehöre, ja nicht einmal die Kirche, in deren Dienst ich stehe, lädt zur Feier des Abendmahls ein, sondern Jesus selbst. Und er sagt: Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen.
In meiner Kindheit und Jugend habe ich sehr viel Frömmigkeit erlebt, die sich um die Frage drehte: Wer gehört eigentlich zu Jesus? Und vor allem: Wer nicht? Das war manchmal sogar viel wichtiger. Und fast immer waren es Männer, Pastoren und Bibelausleger, die scharfe Grenzen zu ziehen wussten: Für sie war klar, wer zu Jesus gehörte und wer nicht.
Aber was sagt Jesus selbst? „Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen. Ich muss an die Begegnungen von Jesus mit Menschen denken, die uns die Evangelien erzählen. Was für eine merkwürdige Gesellschaft, die Jesus offensichtlich anzog. So merkwürdig, dass andere sogar über ihn die Nase rümpften, frei nach dem Motto: Wenn er wirklich Gottes Sohn wäre, würde er sich mit solchen Leuten nicht abgeben.
Ich sehe in seiner Gesellschaft einen aufbrausenden und notorisch unbeständigen Simon Petrus. Ich sehe eine Maria Magdalena, die Jesus aus ihrer inneren Knechtschaft in die Freiheit führte. Ich sehe Zachäus, den reichen Betrüger, der sich nicht einmal traute, Jesus unter die Augen zu treten. Ich sehe die Frau am Brunnen, die auf der Suche nach der großen Liebe immer wieder an den Falschen geraten war. Und ich sehe viele andere, deren Namen uns die Tradition bewahrt hat. Ganz abgesehen von den vielen ungenannten und darum bis heute unbekannten Nachfolgerinnen und Nachfolgern Jesu aus seiner irdischen Zeit, die zu ihm kamen mit den Scherben und Bruchstücken ihres Lebens.
Jesus Christus spricht: Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen. Dieser Vers stellt uns eben genau diesen Jesus vor, dem es nicht darum geht, auszusortieren, wer zu ihm gehört und wer nicht. Wer die richtigen Formeln beim Beten und Sprechen von seinem Glauben benutzt und wer nicht. Wer zur vermeintlich richtigen Kirche gehört. Wer die richtigen theologischen Ansichten teilt. Wer sein Leben gut sortiert hat und wer nicht.